Monatsarchiv für September 2004

Vorsicht vor lügenden Singvögeln, die sich als Mobiltelefone ausgeben!

Freitag, den 3. September 2004

SingvögelBerliner Stare singen wie Handys

In den Baumwipfeln der Berliner Innenstadt scheinen abends die Handys zu klingeln. Tatsächlich aber sind es Stare – sie ahmen die Alltagsgeräusche der Großstadt täuschend echt nach. Den Grund für das herbstliche Konzert kennt Jörg Böhner vom Institut für Ökologie an der Technischen Universität Berlin nicht: “Starenmännchen singen vor allem im Frühjahr zur Reviermarkierung. Wieso sie jetzt singen, wissen wir nicht genau.” (dpa)

Weitere Presseberichte über die Handy-Singvögel:
Hamburger Morgenpost: Im Staren-Baum können Handys klingeln
Wormser Zeitung: Wenn im Baum Hunde bellen und Handys klingeln

Zufällig beginnt heute auf der Berliner Museumsinsel das Kunstfestival “Stare über Berlin” – ein Schelm, wer böses dabei denkt…

Homepage des Kunstfestivals: http://www.stare.info/
Artikel in der Berliner Zeitung: Lass mich wie dein Handy zwitschern

Cartoon aus Glosse auf Telepolis unter http://www.telepolis.de/deutsch/inhalt/lis/16727/1.html

Werbung für Armut

Mittwoch, den 1. September 2004

Armut - Leben wie im MärchenMit teils äußerst intelligenten Werbemotiven haben sich Nachwuchsdesigner am Plakatwettbewerb des Bundesentwicklungsministeriums beteiligt.

Das nebenstehend gezeigte Motiv (zum vergrößern bitte anklicken) stammt von Luise Kolpin, FH Wismar. Hier dient ein geschickt vertauschter Zusammenhang dazu, Aufmerksamkeit auf soziale Mißstände zu lenken. Der Effekt wird verstärkt durch die doppeldeutige Verpackung. Inhalt und Erscheinungsbild stehen im krassen Widerspruch zur eigentlichen Botschaft.

Mal ein seltenes Beispiel – Behälterfälschung im Dienst einer “guten Sache”…

Zur Homepage des Plakatwettbewerbs: http://www.aktionsprogramm2015.de/

US-Präsident bettelt um seine Wiederwahl

Mittwoch, den 1. September 2004

George W. BushFalscher Bush fleht: “Gebt mir eine zweite Chance”

Auf einer Wahlkampfwebseite bettelt der US-Präsident um seine Wiederwahl und redet Tacheles. Ob drei Millionen neue Arbeitslose oder die belogene Öffentlichkeit – alles kommt zur Sprache. Hinter der täuschend echten Seite steckt jedoch nicht Bush selbst, sondern eine New Yorker Künstlergruppe.

In dem Text “Eine zweite Chance” liest man Sätze von George W. Bush, wie man sie aus seinem Mund kaum kennt: “Ja, ich habe oft in meinem Leben von der Freundschaft zu anderen profitiert”, heißt es auf der Website GeorgeWBush.org. “Mit Hilfe meiner Freunde und der Freunde meines Vaters konnte ich die Texas Ranger übernehmen, meine erste Ölfirma kaufen und Gouverneur von Texas werden.”

Weiter schreibt der angebliche US-Präsident: “Mit Hilfe meines Bruders, meiner Freunde und der Freunde meines Vaters wurde ich Präsident der Vereinigten Staaten. Aber neben diesen hoch geschätzten Freundschaften wurde meine Karriere noch durch ein weiteres, weniger rühmliches Muster bestimmt: das Fehlen einer zweiten Chance.”

Dann werden sämtliche Pleiten und Misserfolge von Bush junior aufgelistet, immer mit dem Hinweis, dass er es kein einziges Mal noch einmal probieren durfte: Weder als seine Ölfirma kein Öl fand und seine Wahl in den Kongress scheiterte noch als er die Umweltschutzbestimmungen in Texas im Sinne der Ölbranche lockerte.

Auf den ersten Blick könnte GeorgeWBush.org tatsächlich die Seite des Präsidenten sein. Das Layout ist der offiziellen Seite GeorgeWBush.com sehr gut nachempfunden. Doch spätestens bei den Bannern am rechten Rand wird klar, dass das Ganze eine Parodie ist: “Bush Kills Arabs Dead” oder “Bush Sieg Heil” steht dort, dahinter weht die US-Flagge.

Betrieben wird die Bush-Fakeseite von einer Gruppe namens Chickenhead, die ihre Kreationen als “widerliches Sammelbecken von geschmacklosem und hoffnungslos-kindischem Müll” bezeichnet und sich selbst als “abscheuliche Clique von New Yorker Losern”.

Chickenhead wurde von dem New Yorker Aktionskünstler John Wooden gegründet und unterhält unter anderem auch die beißende Weiße-Haus-Satire Whitehouse.org. Dort sind obskure Rezepte von Bushs Gattin Laura versammelt (“Cowboy Kekse”, “Geräuchertes Freiheits-Huhn”), aber auch der Link zu einem New-York-Ratgeber für bibelfromme Christen.

Darin bekommen Christen hilfreiche Hinweise dafür. wie man in Big Apple während des Republikaner-Parteitags überlebt: “Der beste Rat, den wir Ihnen geben können, ist: Bleiben Sie in Ihrem Hotelzimmer. Vermeiden Sie es, an Orte zu gehen, wo sie nicht sein müssen. Und wenn Sie je draußen sein sollten, dann, Gott bewahre, schauen Sie niemandem direkt in die Augen.”

Das Flehen des angeblichen George W. Bush um Wiederwahl endet mit den Worten: “Bitte geben Sie mir eine zweite Amtszeit. Geben Sie mir eine zweite Chance – die einzige meines Lebens.”

Gefunden auf Spiegel-Online unter http://www.spiegel.de/netzwelt/netzkultur/0,1518,316136,00.html
Homepage der falschen Bush-Kampagne: http://www.georgewbush.org/
Homepage des echten Bush: http://www.georgewbush.com/

Polnischer Werbegag macht wasserscheu

Mittwoch, den 1. September 2004

polnischer WerbegagBürgermeister Zdzislaw Lesiecki hat es die Sprache verschlagen. Als er Anfang Juli durch sein Ostsee-Städtchen Ustka fährt, prallt er förmlich ab an riesiegen Plakaten, auf den es heißt: Fahrt nicht an die See!

Zeitgleich fallen den Badegästen von Ustka am Strand die Schlappen aus der Hand: Gefahrenzone und Ansteckungsgefahr warnen Schilder an den Dünen. Bürgermeister Lesiecki kann es eigentlich immer noch nicht richtig glauben: “Gefahrenzone – ich habe diese Tafel vor Augen, und dann 50 Meter weiter vor dem Strand, die Warnung, dass es zu einer Ansteckung kommen kann. Menschen, die grade zum Strand gehen, empfinden das als sehr negativ. Sie wissen nicht, ob dort vielleicht das Wasser verseucht ist – vielleicht ist da ja was dran…”

Warnungen vor allen Urlaubsgebieten in Polen

Was Bürgermeister Lesiecki zu diesem Zeitpunkt noch nicht wissen konnte: Überall in Polen wurde an diesem Vormittag vor möglichen Gefahren gewarnt. “Fahrt nicht in die Berge! “Fahrt nicht in die Masuren” – so vermiesten Plakate den Urlaub.

Die Zeit verging, bis sich der polnische Mobilfunkbetreiber Heyah als Urheber der Werbekampagne zu erkennen gab. Bürgermeister Lesiecki haben dessen Argumente nicht überzeugt:

“Man hat erklärt, dass die Aktion auf die Phantasie wirken soll.Sie soll zum Denken zwingen! Mag ja sein, aber ich habe das negativ empfunden. Wir können doch nicht davon ausgehen, dass einer, der die Werbung ‘Fahr nicht an die Ostsee’ sieht, genau deshalb hinfährt, um nachzuschauen, was dort los ist. Nein, das ist nicht der Weg!”

Seitdem liegen sich Ostsee-Kommune und die Mobilfunkfirma Heyah schwer in den Haaren. “Wir haben bei der Staatsanwaltschaft eine Klage eingereicht, aber wir auch schon die Antwort bekommen, dass es nach Meinung der Justiz, kein Verbrechen ist, auf diese Art zu werben”, berichte Lesiecki. Aber geschlagen geben will er sich noch nicht: “Ich denke, es hat messbare Schäden gegeben und ich höre, dass einige Unternehmen Heya ihre Verluste in Rechnung stellen wollen. Und wenn jemand einen wirtschaftslichen Schaden nachweisen kann, wird es in jedem Fall zum Prozess kommen.”

Bei Heyah schüttelt man sich dagegen vor Lachen. Ob guter oder schlechter Werbe-Gag – Heyah ist in aller Munde. Und möglichen Schadensersatzforderungen einiger Hotelbetreiber aus Ustka sieht der Mobilfunker gelassen entgegen. Phantasievoll, wie bei der eigenen Werbung verweist man ganz einfach auf das schlechte Wetter.

Bevölkerung folgte brav der Warnung

Auch die Bevölkerung in den diversen Ostseebädern, in denen die Aktion stattgefunden hat, war von den Socken. Weniger, weil man durch den Spruch “Fahrt nicht an die Ostsee!” irritiert war. An der Ostsee war man ja schließlich zu Hause. Sondern vielmehr, weil die Schilder in Strandnähe von einer Ansteckungssgefahr warnten. Zeitgleich war in den Medien – natürlich rein zufällig – über eine drohende Masernepedemie berichtet worden. Und da schloss sich für viele der Kreis. In Polen ist die Bevölkerung nach der kommunistischen Diktatur immer noch sehr obrigkeitshörig. Eine vermeintliche Warnung wird da sehr schnell als wirkliche Warnung betrachtet – und, im Gegensatz zu Deutschland, auch berücksichtigt.

Die Ortsverwaltungen haben übrigens zügig reagiert: Die Bürgermeister waren zum Teil selbst unterwegs, um die Schilder einzusammeln. Da war noch nicht einmal klar, wer hinter der Aktion stehen würde. Bewiesen war nur, das sich niemand die amtliche Genehmigung für das Aufstellen der Schilder geholt hatte. Also war die Aktion illegal und die Bürokratie hat postwendend zurückgeschlagen.

Die Sache mit der Klage blieb allerdings bis heute eine leere Drohung. Dem Hotelbesitzer will es einfach nicht gelingen, die “Heyah”-Schilder für ausbleibende Touristenströme verantwortlich zu machen. Das Problem: Zufällig war die Aktion nicht gerade an den heißesten Tagen des Jahres gestartet worden. Und die Vermutung liegt nahe, dass auch die polnischen Richter bei einer Klage über wirtschaftliche Verluste mit dem Schuldfinger zuerst auf das Wetter zeigen würden.

Gefälschte Telefonnummern: Wenn das Display lügt

Mittwoch, den 1. September 2004

Rufnummern-Spoofing auf höchster Ebene

Was als nette Zugabe zum ‘normalen Telefonieren’ begann und sich zur hilfreichen CRM-Komponente entwickelte, wird jetzt von einer US-Firma beschnitten: die so genannte ‘Caller ID’. Ein Start-up verkauft eine Technologie, mit der sich die Identifikationsmerkmale eines Anrufs wie Name und Nummer durch erfundene oder anderweitig existierende Rufnummern ersetzen lassen.

Auf der Webseite von ‘Star38′ steht nichts anderes als “Anonymität beginnt”, und genau darum geht es auch. Wer jetzt allerdings glaubt, irgend jemanden irre führen zu können mit einer fremden Telefonnummer, der irrt selbst. Die Software soll nur an ausgewählte Stellen wie Ermittlungsbehörden verkauft werden, für 20 Dollar im Monat.

Dennoch sehen Kritiker besonders ein Problem: In falschen Händen könnten beispielsweise Telemarketing-Firmen die Lösung einsetzen, um Anrufe wie die von Verwandten aussehen zu lassen. Mit ein wenig Recherche sind die verwandtschaftlichen Verhältnisse und die entsprechenden Rufnummern schnell herausgefunden.

Das Telefonnummern-Spoofing ist vor Jahren von Hackern erfunden worden. Das wissen auch die Verantwortlichen bei Star38. “Leider hat die Technik einen negativen Ursprung”, so Jason Jepson, Gründer der Firma gegenüber der US-Presse, “mit dem Unterschied, dass die Hacker illegal  vorgehen, wir aber legal.”

Caller-IDs bieten sich im geschäftlichen Umfeld beispielsweise an, um CRM (Customer Relationship Management) zu optimieren. Die Rufnummer sorgt in einer CTI-Lösung (Computergestützte Telefonie) dafür, dass ein Kunde schnell identifiziert und seine Stammdaten auf den Rechner geladen werden können. Ein Unternehmen kann so unter anderem den Lieferstatus einer Ware für den Kunden einsehen und die frühere Kommunikation mit ihm zurückverfolgen.